Kundenfreundlich können andere sein

07.12.2011 / Lokalausgabe

Autor: Nikolaos Georgakis


Diese Geschichte hat ein glückliches Ende – allerdings nicht für die Kunden der Essener Stadtwerke. Noch nicht. Bislang weigern sich die Gasmänner von der Rüttenscheider Straße, finanzielle Entschädigungen für unzulässige Preiserhöhungen zu leisten. Und die deutsche Rechtsprechung will es, dass die Vogel-Strauß-Politik des Energieunternehmens mit einem Verjährungsschutz prämiert wird. Dies gilt auch für das nun auslaufende Jahr 2011. Nun hat also Justitia das letzte Wort. Das Landgericht Essen hat in dieser Angelegenheit sein Urteil für den 22. Dezember angekündigt. Doch der Reihe nach, denn das Dramolett ist verzwickt.

Angefangen hat alles im Jahr 2006. In einer Sammelklage schlossen sich 181 Verbraucher zusammen und zogen gegen die Essener Stadtwerke vor das Landgericht. Dieses stellte in seinem Urteil vom 17. April 2007 fest, dass die von den Stadtwerken verwendete Preisanpassungsklausel unwirksam ist. Das Oberlandesgericht in Hamm sah das ein Jahr später in einem Berufungsverfahren anders, gab den Stadtwerken recht. In seiner Grundsatzentscheidung vom 13. Januar 2010 schlug sich der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch wieder auf die Seite der Gaskunden und hob das Urteil von Hamm auf.

Münster und andere machen es vor – und zahlen
Die Preisanpassungsklausel, begründet der BGH in seinem Urteil, sei „intransparent“, erlaube gar „bei kundenfeindlichster Auslegung eine Preisgestaltung nach freiem Belieben“. Die Klausel verpflichte den Gasversorger auch nicht dazu, Preissenkungen an seine Kunden weiterzugeben. Kurzum: Die Stadtwerke dürfen ihre Preise erhöhen, aber nicht so. Das hat der Bundesgerichtshof in letzter Instanz entschieden.

So einhellig die BGH-Rechtsprechung von den Verbraucherverbänden begrüßt wurde, so unterschiedlich sind bundesweit die Reaktionen der Gaslieferanten darauf. Bleiben wir aber zunächst in Essen. Die Stadtwerke entschieden sich für die Strategie: Wir sagen (erstmal) nichts, wir zahlen nichts. Und das ging so: Bereits nach ihrer ersten Niederlage vor dem Essener Landgericht begannen die Stadtwerke damit, ihren Kunden im November 2007 überarbeitete Verträge schmackhaft zu machen. Dazu wurde eine Preischarmeoffensive in Verbindung mit der Einführung der neuen Marke „Klaro!“ gestartet. Wer bei „Klaro!“ unterschrieb, sparte die im gleichen Schreiben angekündigte Preiserhöhung von 80 Euro pro Jahr. Über das Gerichtsurteil oder gar etwaige Rückerstattungsansprüche, die sich daraus ergeben könnten, wird kein Wort verloren.

Der Plan ging nicht ganz auf. Da der Durchschnittsverbraucher hierzulande offensichtlich nur schwer zu einem Tarifwechsel zu bewegen ist, schrieben die Stadtwerke erneut ihren Kunden. Diesmal mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das BGH-Urteil, drohte der Energielieferant im November 2009 seinen Kunden, die den neuen Verträgen noch nicht zugestimmt hatten, mit der Kündigung des Gasliefervertrags – und machte seine Drohungen wahr. Im März 2010 wurde 7500 Kunden gekündigt (die NRZ berichtete).

Derweil weigern sich die Stadtwerke bis heute, Erstattungssprüche zu akzeptieren. Rechtsanwalt Volker Heidelbach rät daher „keine Zeit zu verlieren“. Seine Kanzlei vertritt mittlerweile 200 Kunden, die ihren städtischen Gasversorger auf Rückzahlung der unwirksamen Preiserhöhungen vor dem Amts- und Landgericht Essen verklagt haben. Der Rechtsanwalt rechnet damit, dass diese bis zu 30 Prozent der jährlichen Rechnungsbeträge ausmachen könnten. Jeder Anspruch, der noch nicht gerichtlich geltend gemacht wurde, unterliegt der Verjährung. Mit Ablauf des Jahres 2011 werden daher erneut Ansprüche aus einem weiteren Abrechnungsjahr verjähren, so Heidelbach.

Und wo bleibt das glückliche Ende der Geschichte? Das findet sich 90 Kilometer entfernt von Essen. Bereits am 23. November 2010 vereinbarten hier die Verbraucherzentrale NRW und die Stadtwerke Münster eine Einigung. Heizgaskunden des kommunalen Energieanbieters hatten die Wahl: Entweder eine sofortige, pauschale En
tschädigungszahlung von 500 Euro oder ein Zuschuss für energiesparende Maßnahmen. Verbraucherschützer Klaus Müller hoffte, die Münsteraner Lösung könne „bundesweit Vorbild für alle anderen Versorger sein“.

Die Stadtwerke Essen scheinen keine Vorliebe für kundenorientierte Happy Ends zu haben: Mit dem Beispiel aus Münster konfrontiert oder mit den ähnlichen gefundenen Lösungen in Dortmund und Oldenburg, heißt es aus der Firmenzentrale in Rüttenscheid nur: „Dies mögen individuelle Entscheidungen sein, die auf unterschiedlichen Rechtspositionen in den Prozessabläufen beruhen. Diese können wir nicht kommentieren.“